JOHANN ADAM VON ITZSTEIN
(1775-1855)

Adam von Itzstein

Am 28. September 1775 wurde dem kurmainzischen Geheimen Rat und Direktor des Hofgerichtes, Edmund Ignaz Itzstein, in Mainz als 14. Kind aus zwei Ehen ein Sohn geboren, der den Namen Johann Adam erhielt.

Zur Vorbereitung auf das Universitätsstudium besuchte Johann Adam die Domschule und die mittleren und höheren Lehranstalten seiner Vaterstadt. 1792 begann er sein Studium an der Mainzer Universität, wo er als Student der Rechte vor allem Schüler der Professoren Hofmann von Winkel und Hartleben war.

Beim Ausbruch des ersten Koalitionskrieges (1792-1797) flüchtete Johann Adam mit seinen Eltern und kehrte nach der Besetzung von Mainz durch den französischen General Custine wieder in die Heimat zurück. Zur Zeit der Republikanerherrschaft in Mainz musste Itzstein seine Studien unterbrechen, besuchte aber regelmäßig die Sitzungen des Jakobinerklubs.

Vor der Belagerung der Stadt Mainz durch die Preußen begab sich die Familie Itzstein auf ihr Gut nach Hallgarten im Rheingau. Johann Adam blieb zurück und erlebte die Belagerung und Rückeroberung durch österreichische Truppen mit all ihren Schrecken. Nach 1795 setzte er sein juristisches Studium fort.

Das Miterleben der französischen Revolution von 1789, die liberale Beeinflussung durch seine Mainzer Lehrer, der Besuch des Jakobinerklubs und das Erlebnis der Greuel und Schrecken der Belagerungszeit, all das trug entscheidend zur Formung seiner Persönlichkeit bei.

Nach dem Abschluss seiner juristischen Studien wird von Itzstein nach mehrjähriger praktischjuristischer Tätigkeit in Amorbach, Miltenberg und Schwetzingen an die Stätte seiner späteren politischen Wirksamkeit ins Großherzogtum Baden geführt. Im April 1819 wurde er als Hofgerichtsrat nach Mannheim versetzt. Seitdem hat sich von Itzstein dem politischen Geschehen in Baden zugewandt und ist seit seiner Wahl zum badischen Landtag des Jahres 1822 mit der Bewegung des badischen Liberalismus aufs engste verbunden. Der Streit um den Militäretat im Jahre 1822/23 und der Einspruch gegen ein Manifest des Großherzogs im Jahre 1841/42 sind unzertrennbar mit dem Namen von Itzsteins verknüpft.

Durch seine klare Diktion, in der man feststellen kann, dass jedes Wort genau abgewogen und überlegt war, wusste er die Menschen in seinen Bann zu ziehen. Trotz einer elementaren Wucht seiner Reden, verletzte er nie den Abstand, vergaß er nie die Würde seiner Stellung als Abgeordneter.

Die Sicherung der Rechte und Freiheiten des Individuums und das harmonische Gleichgewicht zwischen Volk und Regierung, sah von Itzstein am besten in einer konstitutionellen Monarchie gewährleistet.

Die parteipolitische Tätigkeit von Itzsteins war ein Bemühen um geschlossenes Handeln aller liberalen Kräfte, sowohl im engeren badischen als auch im weiteren gesamtdeutschen Raum. Seine Begabung als Parteiführer und Organisator der Liberalen, aber auch der vorzügliche Hallgartener Wein und, nicht zu vergessen, die einmalig schöne Lage seines Guthauses machten Hallgarten zum idealen Platz für gesamtdeutsches Parlamentariertreffen.

Wie die Stockbücher der ehemaligen Gemeinde Hallgarten ausweisen, besaß der in Winkel geborene Mainzer Hofgerichtsrat Johannes Franziskus Itzstein, der Großvater Johann Adams, in Hallgarten ein ansehnliches Weingut. Es war ihm durch seine Ehe mit Maria Clara Hardy im Jahre 1736 zugefallen. Auch der Vater Johann Adam von Itzsteins, Edmund Ignaz, hatte dieses fast 40 Morgen große Gut mit dem Gutshaus in der damaligen "Bingergaß", heute Niederwaldstraße, in Besitz. Nach seinem Tode ging es an seinem Sohn Peter über, der Chorherr am St. Petersstift in Mainz war. Als er 1837 starb, erbte der in Mannheim wohnende Johann Adam von Itzstein das Weingut. (Seit 1875 im Besitz der Fürsten von Löwenstein-Wertheim-Rosenberg, das Gutshaus ist seit 1993 Eigentum der Familie Lange-Willner)

Als die auf dem Hambacher Fest von 1832 geforderten Freiheitsrechte durch das "System Metternich" erneut unterdrückt wurden, versuchte Johann Adam von Itzstein, auch er war auf dem Hambacher Fest gewesen und ist auf dem "Hambacher Tuch" abgebildet, erstmals eine Vereinigung aller deutscher Parlamentarier. Von 1839 an fanden dann alljährlich bis 1847 auf seinem Weingut in der heutigen Niederwaldstraße Zusammenkünfte liberaler Persönlichkeiten statt.

Die Mitglieder dieses "Hallgartener Kreises" kamen aus Ostpreußen, Schlesien, Sachsen, Nassau, Hessen-Darmstadt, Württemberg und Baden. Ihrem gesellschaftlichen Stand nach waren es durchweg Vertreter des wohlhabenden Bildungsbürgertums. Es waren Ärzte, so Dr. Johann Jacoby aus Königsberg, Dr. Martin Mohr aus Oberingelheim, es waren Professoren, der Staatsrechtler Karl Theodor Welcker aus Heidelberg, der Literaturhistoriker Georg Gottfried Gervinus aus Heidelberg, einer der "Göttinger Sieben", dem Adelsstand war der Graf Reichenbach aus Schlesien zuzuordnen, ferner der Verlagsbuchhändler Friedrich Daniel Bassermann aus Mannheim, der Publizist Robert Blum aus Leipzig, die Juristen von Gagern, von Itzstein und Friedrich Hecker, die Dichter und Schriftsteller Hoffmann von Fallersleben und Rudolf von Gottschall.

Wie in der Frankfurter Nationalversammlung, so vermissen wir auch im "Hallgartener Kreis" Kleinbürger, Arbeiter und Frauen. Fast alle Mitglieder des von Itzstein organisierten "Hallgartener Kreises" waren auch 1848/49 Mitglieder der Frankfurter Nationalversammlung. Sie bildeten hier die treibenden Kräfte für eine demokratische Umgestaltung Deutschlands. So hat schon die Schriftstellerin Ricarda Huch die These formuliert: "Die Versammlungen in Hallgarten kann man die Keimzelle der Frankfurter Nationalversammlung, des ersten deutschen Parlamentes, nennen". (1)

Die Zusammenkünfte in Hallgarten waren keine Parlamentarierkonferenzen modernen Stils. Sie waren vor allem gesellige Veranstaltungen und dienten einem Sichkennenlernen. Aber das gemeinsame Mahl oder ein Trinkgelage wurde schnell zum Ort der Debatte, der Stehgreifrede und der Trinksprüche mit patriotischer Tendenz. Aus einem gemeinsamen Festessen wurde ein "Zweckessen".

Die Mitglieder des Hallgartener Kreises verfolgten klare und konkrete Ziele. In den verschiedenen Landesparlamenten sollten gleichzeitig, schlagartig, bestimmte Anträge, so auf Pressefreiheit, Öffentlichkeit der Gerichtsverfahren, Geschworenengerichte, Verantwortlichkeit der Minister und Militärbeschränkungen gestellt werden. Die letzten Hallgartener Tagung nach 1846 forderten die Gründung einer Unterstützungskasse für verfolgte Patrioten, die Verbindung zu den Arbeitervereinen den Schweizer Oppositionellen und den Deutschen in den Vereinigten Staaten.

Je näher die Märztage des Jahres 1848 rückten, auf die der Hallgartener Kreis seit Jahren hingearbeitet hatte, umso deutlicher wurde das Auseinanderklaffen der liberalen Bewegung in einem gemäßigten und radikalen Flügel. Wir können feststellen, dass seit 1846 die linksliberale, radikale republikanische Richtung unter Friedrich Hecker und Robert Blum in Hallgarten ein deutliches Übergewicht bekam. Eine Tatsache, die den preußischen Innenminister dazu veranlasste, Hallgarten als ein Tagungsort von "Häuptern der Radikalen" zu bezeichnen. Adam von Itzstein stand zwischen beiden Richtungen. Er wollte vermitteln, war er doch, wie Veit Valentin in seiner "Geschichte der deutschen Revolution von 1848/49 hervorhebt, "ein Virtuos im Ausgleich von Gegensätzen".

In der Frankfurter Nationalversammlung gehörte er zur Partei des Deutschen Hofes, die sich um Robert Blum scharte und zwischen der radikalen Linken und dem linken Zentrum stand. Bei der Reichsverweserwahl vom 29. Juni 1848 konnte er 32 Stimmen meist sächsischer Abgeordneter auf sich vereinigen.

Als durch den Beschluss der Nationalversammlung vom 30. Mai 1849 dieselbe nach Stuttgart verlegt wurde, begab sich auch Itzstein mit dem Rumpfparlament dorthin und war bis zum Tage der gewaltsamen Auflösung des Parlamentes in den Versammlungen. Durch die Kriegsereignisse war es ihm unmöglich nach Hallgarten zurückzukehren. Aus Furcht vor einer etwaigen Inhaftierung flüchtete er, zusammen mit anderen Abgeordneten, in die Schweiz. Im Oktober kehrte er zurück und weilte bis Mitte November auf seinem Gute in Hallgarten. Auf Anraten seiner Freunde Leisler und Hergenhahn und aus Furcht vor weiteren Unannehmlichkeiten im Zusammenhang mit einem Hochverratsprozess (Beteiligung an der badischen Revolution) hat er Hallgarten wieder verlassen. Bis Ende September 1850, als er sich von dem Verdacht gereinigt hatte, Teilnehmer am letzten badischen Aufstande gewesen zu sein, hielt er sich in Straßburg und im Elsaß auf.

Ausgeschlossen aus dem badischen Landtag von 1850 und seines Bürgerrechtes für verlustig erklärt, kehrte er in leidendem Zustand nach Hallgarten zurück. Die Aufregungen der Revolutionsjahre und die mit einer zweimaligen Flucht verbundenen Strapazen hatten dem 75-jährigen gesundheitlich schwer geschadet. Sein sonst so klarer Geist zerfiel infolge einer Gehirnerweichung. In geistiger Umnachtung verbrachte er seine letzten Lebensjahre. In einem Brief an Karl Dresel vom 13. Oktober 1850 fand Hoffmann von Fallersleben Itzstein "wohl und munter, aber sehr gealtert". (2)

Kurz vor seinem 80. Geburtstage, am 14. September 1855, starb Johann Adam von Itzstein auf seinem Gute in Hallgarten im Rheingau und wurde auch hier beerdigt.

Sein Grabstein trägt die Inschrift:

"Müde von den Jugendkämpfen deutscher Freiheit ruhet hier
ein mutig Herz".

Josef Rosskopf

 

Literatur:

Roßkopf, Josef:
Johann Adam von Itzstein. Ein Beitrag zur Geschichte des badischen Liberalismus.
(Mainz, 1954)

Roßkopf, Josef:
Der Hallgartener Kreis um Johann Adam von Itzstein. In: Einblicke in die Geschichte von Oestrich-Winkel, S. 183-194
(Oestrich-Winkel, 2000)

1) Huch, Ricarda:
1848. Die Revolution des 19. Jahrhunderts in Deutschland. (Zürich, 1948) S. 63/64

2) Gerstenberg, H.:
An meine Freunde, Briefe von Hoffmann von Fallersleben, (Berlin, 1907) S.187